Stammbaum-Analyse von Fischen: Der Älteste von der Insel
25.08.2025
LMU-Forschende finden anhand von 3D-Knochenmodellen erstmals Merkmale zur Unterscheidung zweier Grundel-Familien.
25.08.2025
LMU-Forschende finden anhand von 3D-Knochenmodellen erstmals Merkmale zur Unterscheidung zweier Grundel-Familien.
Die Grundeln sind eine der artenreichsten und diversesten Fisch-Gruppen unserer Zeit; die kleinen Fische sind weltweit in nahezu jedem Habitat anzutreffen. Ihr Stammbaum beinhaltet neun Familien mit insgesamt mehr als 2.000 Arten. Die ursprünglichsten Familien – die Odontobutidae und Rhyacichthyidae – umfassen nur 32 Arten und sind in Südost-Asien heimisch. Sie bilden im Stammbaum die Schwestergruppe zu den restlichen Grundel-Familien. Allerdings sind fossil nur drei Arten dieser ursprünglichen Familien aus Japan, China und Neuseeland bekannt. Neue Fundstücke der Grundel †Paralates chapelcornerensis und der neu-beschriebenen Art †Paralates simpsoni (benannt nach Martin Simpson, dem Entdecker der neuen Fossilien) aus dem späten Eozän vor rund 36 Millionen Jahren von der Isle of Wight im Ärmelkanal brachten nun eine erstaunliche Entdeckung: Die Form der Gehörsteine der Fossilien ist eindeutig den Odontobutidae zuzuordnen. „Das hat uns überrascht, da diese Fische heute nur in Südost-Asien und nicht vor der britischen Küste zu finden sind“, sagt Elena Bauer, Doktorandin der Paläontologie an der LMU und Erstautorin der Studie. Eine schlüssige Erklärung gebe es dafür noch nicht, es zeige, so sagt die Forscherin, dass die Evolution und Verbreitungsgeschichte der Grundeln weitaus komplexer sind, als es die Biogeographie der heutigen Fische vermuten lassen.
Lebendrekonstruktion von †Paralates simpsoni (links) und †Paralates chapelcornerensis (rechts) an der Isle of Wight des späten Eozäns vor rund 36 Millionen Jahren | © Elena Bauer
Die Skelette von †Paralates lieferten hingegen zunächst kein eindeutiges Ergebnis. Die Osteologie der Odontobutidae war bislang nur unzureichend erforscht und von der am nächsten verwandten Familie, den Rhyacichthyidae, bisher nicht abgegrenzt. Es gab daher noch keine definierten Merkmale, die zur stammesgeschichtlichen Einordnung des Fossils herangezogen werden konnten. Auch frühere Veröffentlichungen stellten †Paralates zwar in die Nähe der Odontobutidae und Rhyacichthyidae, konnten dies aber nicht präzisieren. In Zusammenarbeit mit Kollegen der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) konnten die Wissenschaftlerinnen aufwendige Knochenmodelle auf Basis von microCT-Scans für alle verfügbaren Vertreter der beiden Familien erstellen und in einem Bild-Atlas zusammenstellen, der nun ‚open access‘ verfügbar ist. „Da in Fossilien meist nur ein Bruchteil aller Knochen überliefert ist, haben wir uns dafür auf die im Fossil am besten erhaltenen Knochen beschränkt: Knochen des Schädels, des Oberkiefers, aber auch der erste Wirbel und der Beckengürtel.“ sagt Bettina Reichenbacher, Professorin für Paläontologie an der LMU.
Um †Paralates einer der beiden Familien zuordnen zu können, wurden auf der Basis dieser Knochenmodelle nun Merkmale identifiziert, welche sich bei Odontobutidae und Rhyacichthyidae unterscheiden. Diese ließen sich dann mit den Fossilien von †Paralates abgleichen. Diese Informationen wurden dann in die aktuelle Merkmals-Matrix, die Merkmale zur Stammbaum-Analyse aller Grundel-Familien enthält, eingegliedert. Die neue Stammbaum-Analyse zeigt: †Paralates ist auch nach Skelett-Merkmalen ein Mitglied der Odontobutidae. „Damit haben wir einen wegweisenden Beitrag zur Identifikation von Fossilien dieser ursprünglichen Familien geleistet. Unser Stammbaum zeigt, dass †Paralates zu den Odontobutidae gehört, womit er obendrein der älteste Vertreter dieser Familie ist“, sagt Elena Bauer.
Elena Bauer, Alexander F. Cerwenka, Ulrich K. Schliewen und Bettina Reichenbacher: New osteological characteristics identify the first stem sleeper goby (Gobioidei, Odontobutidae) from the Upper Eocene. Papers in Palaeontology, 2025